Bummel durch Europa> zurück zur Übersicht

INHALT   |   INFO ZUM DOWNLOAD

Bearbeitung Rufus Beck
nach dem Roman von Mark Twain
Lesung
Dauer: 70 Minuten

Es ist diese Mischung aus finsterem Spott, lakonischer Erzählung sowie der Lust an Überraschung, Übertreibung und Zuspitzung bei Mark Twain, die für ganze Generationen von Autoren stilbildend wurde - nicht nur in Amerika. Twain machte die Umgangssprache, den Jargon der einfachen Leute, in Büchern salonfähig, seine Texte verbinden Witz und Kritik. Und sie sind immer unterhaltsam. Als Buch veröffentlichte Mark Twain, der in Wirklichkeit Samuel Langhorne Clemens hieß, seine ersten Reiseberichte unter dem Titel "Innocents Abroad" (Die Arglosen im Ausland) im Jahr 1869, nachdem er zwei Jahre zuvor mit einer ausgesuchten Reisegesellschaft Europa und Palästina besucht hatte. Darin beschreibt und kommentiert der frühere Schriftsetzer humorvoll, was ihm begegnet:
Venedig kommt ihm vor wie ein Paradies für Krüppel, weil man dort "seine Beine nicht gebrauchen muss", die Geschicklichkeit der Gondolieri bewundert er mehr als die Paläste an den Kanälen. In den Hotels und Badestuben vermisst er schmerzlich, wie jeder amerikanische Tourist, besonders einen Artikel: die Seife. In einem bösen Bericht für den New York Herald schreibt Twain: "Der Vergnügungsdampfer war eine Synagoge und die Vergnügungsreise ein Leichenbegräbnis ohne Leichnam".

1878 unternahm Mark Twain seine zweite Europareise. In "A Tramp Abroad" - Bummel durch Europa - aus dem Jahr 1880 schildert der "unkonventionelle Pessimist" seine Erfahrungen in Italien, Deutschland und der Schweiz. In Italien empfand er die Pracht der Kathedralen angesichts der vielen Bettler als Hohn - die glücklichen, wohlgenährten Priester passten nicht zu der unübersehbaren Armut. Auf weiteren ausgetretenen Touristenpfaden - bei einer Floßfahrt auf dem Neckar, der Besteigung des Rigi - enthüllt Mark Twain typische Eigenheiten der Länder im alten Kontinent und seiner Besucher aus der neuen Welt. Wagneropern wünschte er sich als Pantomime: Die Musik fand er schrecklich, der Gesang in "Lohengrin" klang in seinen Ohren, als brenne ein Waisenhaus nieder.

Ein Gräuel war ihm auch die schwierige deutsche Sprache mit ihren Eigenheiten ("The Awful German Language"). Dennoch übersetzte er den "Struwwelpeter" ins Englische. Die Aufzeichnungen von seinen Trips nach "Old Europe" machten Mark Twain zum höchstbezahlten Autor seiner Zeit. Auch heute noch fesseln sie mit ihrer wohlkalkulierten Mischung aus Respektlosigkeit, Selbstironie und Scharfblick.

Sprecher Rufus Beck versteht es, den Umschwung von ernsthafter in ironische Reiseerzählung fließend und nuancenreich zu gestalten. Der Hörer fragt sich unwillkürlich: Was hat Mark Twain tatsächlich erlebt und was hat er dazugedichtet? Wir wissen es nicht und sollen es auch nicht wissen. Und genau das macht den Reiz dieses Bummels durch Deutschland aus.